Zeittafel zur Geschichte Ostafrikas (Schwerpunkt: Kolonie Deutsch-Ostafrika)
ca. 300 n. Chr. Beginn der Bantu-Einwanderung ins Hinterland der ostafrikanischen
Küste.
4. - 10. Jahrh. „Dunkles Zeitalter“. Es existieren chinesische Reiseberichte aus der
Tang-Zeit (618-906) sowie aus dem arabischen Raum (ab 10. Jahrh.).
400 Regelmäßiger Handel von Arabern (Jemen/ Mocha) mit
der
ostafrikanischen Küste.
ab 600 Handel mit asiatischen Kaufleuten.
ab 650 Erste arabisch-muslimische Ansiedlungen an
der Küste infolge Zerschlagung
der persischen Seemacht (Sperrgürtel). Allmähliche Entstehung
der Swahili-Kultur.
10. Jahrh. Enge Einbindung der Küste ins Handelsdreieck mit Persien,
Arabien,
dann
auch mit China. Etwa zu dieser Zeit entsteht das Kisuaheli, eine
Bantu-Sprache mit arabischem Einschlag. Hinzu kommen sukzessive
persische, indische und später europäische Lehnwörter.
ab 1130 Einwanderungswelle aus Persien.
ca. 1200 „Originär afrikanische Küstenkultur mit arabischen und
persischen
Einflüssen“ (Bückendorf, S. 55).
14. u. 15. An der Swahili-Küste bestehen mehr als 30 befestigte Handelsplätze
Jahrh. und Stadtstaaten. Handelspartner sind die
anderen Anrainer-Staaten
des
Indischen Ozeans. Exportprodukte: Elfenbein, Rhinozeroshorn,
Kauris,
Felle und Häute, Gold, Kupfer, Eisen(-waren), Mangrovenpfähle,
Baumwolle, Seide, Sklaven (zunächst sekundär).
1498 Die Flotte Vasco da Gamas erreicht
Mombasa, später Indien (Calicut).
1510 Portugal beherrscht fast die
gesamte Küste (Zentren: Mocambique,
Mombasa). „Swahili-Städte“ streben nach Selbständigkeit.
1631 „Mombasa-Aufstand“ gegen Portugal. Weitere Städte (z.B. Tanga,
Tangata)
schließen sich an. Die Portugiesen erbauen die Bastion
„Dom Jesus“. Sie
bleibt bis 1698 „Hauptstützpunkt im nördlichen
Ostafrika“
(Bückendorf, S. 64).
1650 Vertreibung der Portugiesen aus Maskat,
dann aus ganz Oman.
ab 1652 Arabische Offensive von Oman gegen die ostafrikansiche Küste
(Pate,
Sansibar,
etc.)
1660 Arabischer Angriff auf Mombasa.
1669 Arabischer Feldzug nach
Mocambique.
ab 1719 Bürgerkriege in Oman. Infolgedessen Einwanderung von
Abtrünnigen
in die
ostafrikanischen Küstenstädte.
1730 Portugal gibt seine kolonialen Ansprüche
nördlich des Rovuma auf.
Die
Swahili-Küste wird Teil des Sultanats Oman. Die Städte bleiben
weitgehend
unabhängig, sind aber tributpflichtig.
1741 Al-BuSaidi-Dynastie wird Statthalter des
Sultans von Oman an der
Swahili-Küste
1745 Hilfegesuch der Stadt Kilwa an die
Portugiesen, „um die Herrschaft
Omans
abzuschütteln“ (Bückendorf, S. 66).
1749 Die Al-BuSaidi-Dynastie gelangt in Oman an die
Macht. Es folgen
jahrzehntelange
Auseinandersetzungen mit Mombasa und anderen
Stadt- und
Inselstaaten an der Swahili-Küste
1776 Vertrag zwischen dem Sultan von Kilwa und dem
französischen
Sklavenhändler
Morice, der das „europäische Monopol für Kilwa-
Sklaven“
(Bückendorf, S. 66) mit Festpreisgarantie erhält.
1784 Angriff Kilwas auf Sansibar. Eine Flotte aus
Oman beendet ein Jahr
später den
Aufstand.
1806 Sayyid Said wird Sultan von Maskat-Oman und strebt eine Rückgewinnung
der ostafrikanischen Küste unter seine direkte Herrschaft an.
ab 1815 England ist führende Macht im Raum des gesamten indischen Ozeans.
1822 Anti-Sklaverei-Vertrag Englands mit dem
omanischen Herrscher
Sayyid Said. Untersagt ist fortan der Handel mit christlichen
Kaufleuten; der
Festlandshandel sowie der Handel mit nichtchristlichen
Exporteuren bleibt
unangetastet. Der Vertrag richtet sich
praktisch gegen
Frankreich und Kilwa.
1828 Mombasa wird durch Maskat-Oman erobert.
ab 1830 Zunehmende Karawanenvorstöße von den Küstenstädten ins
Landesinnere
(Elfenbeinhandel).
Indische Kaufleute exportieren Elfenbein
nach Bombay.
1840 Sultan Sayyid Said verlegt seinen Regierungssitz nach Sansibar.
Gewürznelkenanbau
entwickelt sich dort zum „landwirtschaftlichen
Hauptzweig“
(Bückendorf, S. 76) der Insel. In den Küstenstädten üben
Liwalis des Sultans
die Macht aus.
1845 Erneutes Anti-Sklaverei-Abkommen zwischen
England und
Sansibar.
1856 Tod Sayyid Saids. Nachfolger auf Sansibar wird
Majid bin Said, in
Oman Thwain bin
Said. (Teilung des Sultanats mit nachfolgenden
Streitigkeiten).
1859 Handelsabkommen zwischen Sansibar mit den
deutschen Hafenstädten
Hamburg, Bremen und
Lübeck. Im gleichen Jahr werden in
Sansibar 19000
Sklaven verkauft. (Bückendorf, S. 90).
1860 Johann Witt, ein Angestellter des Handelshauses O’Swald (Hamburg),
wird erster
deutscher Konsul in Sansibar.
1861 Teilung des Sultanats Sansibar/Oman wird durch
Großbritannien
besiegelt.
1869 Eröffnung des Suezkanals.
ab 1870 zunehmende Bestrebungen in Deutschland zum Erwerb von
Kolonien
1873 Wirtschaftskrise in Deutschland. Der
„Kolonialgedanke“ faßt Fuß in
breiten Kreisen des
deutschen Mittelstandes. Die „Deutsche
Gesellschaft zur
Erforschung des äquatorialen Afrikas“ wird
gegründet. England setzt
die Schließung des Sklavenmarktes auf
Sansibar durch. Der
Sklavenhandel vom Festland geht jedoch weiter
(Schmuggel).
ab 1877 Belgien dehnt seinen Einfluß auf Innerostafrika aus.
Gleichzeitige
Bestrebungen
Frankreichs.
1879 Friedrich Fabri (sen.), leitender Inspektor
der Rheinischen Misssion in
Barmen,
veröffentlicht seine aufseheneregende Schrift „Bedarf
Deutschland der
Colonien?“ Er propagiert die Gründung von Handels-
Siedlungs- und
„Verbrecherkolonien“. Im gleichen Jahr erscheint die
Schrift „Ethiopien“
des hamburger Juristen Wilhelm Hübbe-
Schleiden. Darin
heißt es: „Eine Ausdehnung unseres Wirtschaftsgebietes
ist das Einzige,
was unser Volk vor der Versumpfung retten
kann.“ Noch
radikaler argumentiert der Rittergutbesitzer Ernst von
Weber: er
propagiert eine staatlich gesteuerte Auswanderung als
„Massenexport des
revolutionären Zündstoffs“, worunter er die „alljährlich
immer zahlreicher
und gefährlicher werdenden Proletariermassen“
verstand. (zit.
nach Gründer, 2000, S. 38).
1882 Der „Deutsche Kolonialverein“ wird gegründet.
Mitglieder werden
nicht nur
Einzelpersonen aus Hochadel, Bankwesen, Schwerindustrie
und Staatsapparat,
sondern auch Firmen und ganze Interessenverbände,
außerdem eine Reihe
von Intellektuellen und Hochschullehrern.
1884 Reichskanzler Bismarck verkündet das erste
deutsche Kolonialprotektorat
über Angra Pequena
in Südwestafrika (24.4.) Kurz zuvor
(28.3.) wird die
Gesellschaft für deutsche Kolonisation (GfdK)
gegründet.
Zentrales Thema der Agitation der GfdK ist die
„Auswandererfrage“:
deutsche Auswanderer sollen nicht in fremde,
(z.B. USA) sondern in
deutsche Gebiete auswandern.
Ende September
reisen führende Vertreter der GfdK (Peters, Jühlke,
Pfeil, Otto) nach
Sansibar. Aufbruch zum Festland am 10. November.
Ohne offizielle
Unterstützung durch die Reichsregierung werden
mit betrügerischen
Methoden innerhalb weniger Tage die Gebiete
Useguha, Ukami,
Nguru und Usagara „erworben“, Keimzelle der
späteren Kolonie
Deutsch-Ostafrika.
Ab dem 15. November
tagt in Berlin die „Kongo-Konferenz“ zur
Abgrenzung der
europäischen Einflußzonen in Afrika.
1885 27.Februar (einen Tag nach Beendigung der
„Kongo-Konferenz):
kaiserlicher
Schutzbrief für die von der GfdK in Ostafrika in Besitz
genommen Gebiete.
Gründung der Deutsch-Ostafrikanischen
Gesellschaft
(DOAG).
Peters schließt auf
mehreren Expeditionen „Schutzverträge“ mit
weiteren lokalen
Herrschern, und etabliert ein System von Handelsstützpunkten.
(Periode des
„Flaggenhissens“.) Interessengegensätze
zwischen dem Reich
und dem Sultan von Sansibar Said Bargasch
führen zur
„Sansibar-Krise“ mit einer Flottendemonstration im
Hafen von Sansibar
(ab 7.August). Deutsches Ultimatum am 11.
August. Der Sultan
lenkt ein.
1886 November: deutsch-englisches Abkommen zur
Abgrenzung ihrer
Einflußzonen in
Ostafrika unter Wahrung der Souveränität des
Sultans (Inseln
Zanzibar, Pemba, Mafia, Lamu etc. sowie die Küste in
einer Tiefe von 10
Seemeilen).
Veröffentlichung
der Schrift Alexander Merenskys „Wie erzieht man
am besten den Neger
zur Plantagen=Arbeit“, erster Preis eines von der
DOAG
ausgeschriebenen Wettbewerbs gleichen Titels. Den zweiten
Platz erringt
Hermann Bibo. Untertitel seiner Schrift: „Was einst ein
Häkchen werden
will, das krümme sich beizeiten.“
1887 Im „Küstenvertrag“ vom 28. April übergibt der
Sultan der DOAG die
gesamte Verwaltung
seiner der deutschen Interessensphäre vorgelagerten
Gebiete. Die DOAG
führt dort die Regierung in seinem
Namen und unter
seiner Souveränität. Die Zolleinnahmen werden
aufgeteilt.
1888 August: Ausbruch des Küstenaufstandes
(„Araberaufstand“/ Anführer:
Buschiri, Bwana
Heri,). Zentren: Bagamoyo, Pangani, Tanga,
Mikindani, Kilwa.
Bis Ende September sind die Deutschen aus allen
Küstenorten außer
Dar es Salaam und Bagamoyo vertrieben. Ab
Dezember
Flottenblockade der Küste (mit Unterstützung der Royal
Navy).
1889 Mai: Deutsche Invasionsarmee unter Hermann von
Wißmann landet in
den Brückenköpfen
Bagamoyo und Dar es Salaam. (Offizielle
Begründung: Kampf
gegen Sklaverei, sowie Verbreitung des
Christentums). Die
Truppe besteht aus sudanesischen Söldnern, Zulus,
Ngonis (aus
Portugiesisch-Ostafrika), Nyamwezis, Somalis sowie
deutschen
Offizieren. (Müller, S. 431 f.) Im Laufe dieses und des
Folgejahres wird
der Küstenaufstand niedergeschlagen. („Schreckensherrschaft
der
Wissmannoffiziere“/ Müller, S. 452). Im Hinterland
von Lindi hält der
Yao-Häuptling Macemba seinen Widerstand
aufrecht.
1891 Deutsch-Ostafrika wird offiziell deutsche
Kolonie. („Schutzgebiet“).
Erster Governeur
wird im April Julius Freiherr von Soden.
Am 17.8.1891
erleidet die „Schutztruppe“ unter Kommandeur von
Zelewski eine
vernichtende Niederlage durch die Wahehe. Deren
Widerstand setzt
sich bis ins Jahr 1898 fort. (Selbstmord ihres
Anführers Mkwawa).
Parallel dazu und später noch Aufstände
einzelner Stämme
vielerorts in der Kolonie: Dschagga (Bez. Moschi),
Wagogo (Dodoma),
Mafiti (Mahenge), Wangoni (Ssongea), etc.
1892 Gründung der ersten Regierungsschule in
Tanga.
1893 Neuer Gouverneur: Friedrich Freiherr von
Scheele.
1894 Eroberung von Kalenga, Festung der Wahehe,
durch die
„Schutztruppe“
unter Tom von Prince.
1895 Mai: neuer Gouverneur: Hermann von
Wißmann
1896 März: August Bebel beschuldigt vor dem
deutschen Reichstag Carl
Peters der
Hinrichtung seiner schwarzen Geliebten und deren Freund
im Jahr
1891.
April: Eröffnung
des ersten Teilstücks der Usambara-Bahn zwischen
Tanga und Muhesa.
Dezember: neuer Gouverneur wird Eduard von
Liebert.
Auf einer
„Kolonialausstellung“ in Berlin-Treptow werden 103
Menschen aus
deutschen Kolonialgebieten präsentiert, darunter
Massai, Swahili
sowie Angehörige anderer Ethnien aus Deutsch-
Ostafrika.
1897 November: Erlaß einer „Hüttensteuer“ für die
gesamte Bevölkerung
(Ableistung auch
durch Naturalien oder Arbeitsleistung möglich).
Ziel ist die Lösung
der „Arbeiterfrage“ (Arbeitermangel auf den
Plantagen der
Siedler). Die Afrikaner sollen zur Lohnarbeit
gezwungen
werden.
November: Carl
Peters („Hänge-Peters“) wird aus dem Staatsdienst
entlassen.
1898 Selbstmord Mkwawas. Sein Schädel wird nach
Deutschland geschafft.
(Tom von Prince).
Die Kolonie gilt offiziell als „pazifiziert“.
1901 April: neuer Gouverneur wird Adolf Graf von
Götzen.
ab 1902 Einrichtung von Dorfschamben zum Anbau von Baumwolle
(Zwangsarbeit für
die Dorfbevölkerung).
1905 März: Erlaß einer Kopfsteuer für jeden
erwachsenen arbeitsfähigen
Mann (Erhöhung der
bisherigen Steuer um das Vierfache), sowie eines
Arbeitszwangs
(„Heranziehung der Eingeborenen zu öffentlichen
Arbeiten“)
Juli: Ausbruch des
Maji-Maji-Aufstandes in den
Matumbibergen. Bis
September dehnt er sich „an der Küste entlang
bis nahe an die
Vororte der Hauptstadt“ aus. In einem Bogen „von
dort bis zum Njassa-See“
war das gesamte südliche Territorium vom
Aufstand erfaßt. (Bald,
1976, S. 35)
1906 Als erster Zivilist wird Albrecht Freiherr von
Rechenberg Gouverneur
von Deutsch-Ostafrika. In
Kooperation mit dem neuen Staatssekretär
im Reichskolonialamt
Dernburg leitet von Rechenberg eine neue
Phase der Kolonialpolitik
ein: Schutz der Rechte der Afrikaner,
Förderung traditioneller
einheimischer Landwirtschaftsproduktion
(„cash crops“), etc. Dies
hat jahrelange Konflikte mit den deutschen
Plantagenbesitzern vor
allem des Nordens zur Folge. (Sprachrohr:
„Usambara Post“,
Tanga).
Weitere Maßnahmen von
Rechenbergs: Abschaffung der nahezu
unbezahlten Zwangsarbeit
auf den Dorfschamben, Verbot des
Verkaufs bereits von
Schwarzen besetzen Landes an weiße Siedler,
Eingrenzung der
Prügelstrafen.
1907 Frühjahr: endgültige Niederschlagung des
Maji-Maji-Aufstandes. Die
Bilanz: amtlicherseits 75000 Tote.
Infolge der Politik der radikalen
Zerstörung der Lebensgrundlagen der
Bevölkerung (verbrannte Erde)
durch die „Schutztruppe“
kamen mit Sicherheit viel mehr Menschen
um. (wahrscheinlich ca.
250000 - 300000).
1912 Juli: Heinrich Schnee löst von Rechenberg als Gouverneur
ab. Von
Rechenbergs „negerfreundliche“
Politik scheint gescheitert. Die
Sterblichkeit der auf den
Plantagen beschäftigten Afrikaner z.B. liegt
bei mindestens 7 - 10 %
jährlich, nach Angaben des bis 1913 in der
Kolonie tätigen Arztes Otto
Peiper „oft über 50 v.H.“ (Tetzlaff, S.
253).
1913 In der Kolonie leben 5336 Europäer, Gesamtbevölkerung:
7642200.
In Dar es Salaam z.B. leben 967
Europäer, ca. 2750 Asiaten (2100
Inder, 400 Araber, 250
Goanesen), 17498 seßhafte Afrikaner, ca.
4000 Afrikaner mit
vorübergehenden Aufenthalt.
Im ganzen Land besuchen 110000
afrikanische Schüler Missionsschulen
(4500), 6000 Regierungsschulen
(100).
1914 November: „Schlacht von Tanga“ (Sieg der Deutschen unter
Lettow-
Vorbeck über eine
britisch-indische Invasionsarmee).
1918 Lettow-Vorbeck ergibt sich mit seinen Truppen den
Engländern,
südlich des Tanganjikasees. Die
Kampfhandlungen des Krieges
forderten mehr als 500000 Tote,
darunter ca. 100000 Träger auf
deutscher und ca. 250000 auf
alliierter Seite.
1919 Der Versailler Vertrag verfügt den Verlust aller deutschen Kolonien.
Deutsch Ostafrika kommt unter britische (Tanganjika) und belgische
Verwaltung (Ruanda und Burundi). Das kleine Kionga-Dreieck im Süden
wird portugiesisch-Ostafrika (Mozambique) zugeordnet. Alle Deutschen
müssen das Land verlassen. Mitte der zwanziger Jahre beginnt eine all-
mähliche Rückwanderung.